Tag der Befreiung
Bürgermeisterin Sabine Löser reiste anlässlich des Tags der Befreiung am 8. Mai auf Einladung des dortigen Bürgermeisters in die Partnerstadt Pierrefitte-sur-Seine und nahm an der Gedenkveranstaltung teil. In Ihrer Rede sagte Sie unter anderem:
"Vor fast genau 84 Jahren, am 10. Mai 1940, begann das Nazi-Regime seinen Westfeldzug und überfiel in martialischer Art und Weise innerhalb von wenigen Wochen Frankreich, die Niederlande, Belgien und Luxemburg und stellte die Gebiete unter deutsche Besatzung.
Das Terrorregime der Nationalsozialisten stürzte damit Frankreich nach 1870/71 und dem 1. Weltkrieg, dem Grande Guerre, bereits in den dritten Krieg zwischen den beiden Nachbarländern innerhalb von nur sieben Jahrzehnten. [...]
Heute können wir froh sein, dass wir nun seit fast 80 Jahren nicht nur in Frieden miteinander leben, sondern sich Freundschaften gebildet haben und wir uns als Partner in einem vereinten Europa sehen.
Gleichsam mahnen uns die Kriege in der Ukraine, im Gaza-Streifen und an viel zu vielen anderen Stellen dieser Welt, dass dieses Gebilde weder gottgeben noch für immer stabil ist.
Vielmehr hatte man in den 1920er Jahren schon einmal eine Zeit, in der man für die damaligen Verhältnisse und mit Blick auf die Gesellschaft sehr liberal war. Doch Stück für Stück brachen diese Errungenschaften weg. Krisen wurden genutzt, um Ideologien vor Lösungen zu stellen. Sprache radikalisierte sich. Es gab eine Rückbesinnung ins Gestern.
Der Publizist Victor Klemperer beschrieb dies in seinem Buch über die Sprache des Dritten Reiches wie folgt:
„Worte können wie winzige Arsendosen sein. Sie werden unbemerkt verschluckt, sie scheinen keine Wirkung zu haben, doch nach einiger Zeit ist die Giftwirkung doch da.“
Am frühen Nachmittag des gleichen Tages fand auch im Ortsteil Hennickendorf eine Gedenkveranstaltung statt. Der stellvertretende Bürgermeister Marco Böttche äußerte in seiner Rede folgendes:
"Am Ende eines Krieges an dem mehr als 60 Millionen Opfer zu beklagen waren. Nach Jahren des Terrorregimes der Nationalsozialisten. Der unvorstellbaren industriellen Massenmorde, Deportationen und Verfolgungen von Juden, Homosexuellen, Sinti- und Roma und allen, die nicht in das menschenverachtende Weltbild passten.
Die industrielle Vernichtung von Menschen ist an Grausamkeit bis heute nur schwer zu begreifen und noch weniger zu verstehen.
Nicht zuletzt die Ereignisse des letzten Wochenendes bei denen Demokraten im Wahlkampf angegriffen und zusammengeschlagen wurden, sind einmal mehr ein Warnsignal. Und was am Wochenende in Sachsen für bundesweite Aufmerksamkeit sorgte, passierte auch hier vor kurzem in unserer Nachbargemeinde.
Wenngleich wir uns in einem steten Wandel befinden, so ist nicht jeder Wandel gleich eine Krise, der Demagogen dazu berechtigten sollte die Grundfeste unserer Demokratie und unseres Zusammenlebens in Frage zu stellen.
Wir haben aus unserer Geschichte heraus die Verantwortung, die Warnsignale zu begreifen, sie ernst zu nehmen und den Arsendosen entschieden entgegen zu treten.
Wir können, nein wir müssen alle jeden Tag dazu beitragen, dass wir weiter in einem friedlichen und weltoffenen Europa leben. Lassen Sie es uns angehen."
Die 2. stellvertretende Vorsitzende der Gemeindevertretung ergänzte in Ihrer Rede folgende Gedanken
"Heute vor 79 Jahren kapitulierte Hitlerdeutschland vor den Armeen der Alliierten Streitkräfte. Der mörderische und verbrecherische 2. Weltkrieg fand zumindest in Europa ein Ende, während er in anderen Teilen der Welt noch mit unerbittlicher Grausamkeit bis hin zum kriegsverbrecherischen Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki fortgesetzt wurde.
Der Krieg hinterließ unendlich viele Opfer, Zerstörungen und Leid bei allen Beteiligten. Vor allem die Völker der Sowjetunion hatten mehr als 25 Millionen Tote zu beklagen - Soldaten wie Zivilisten. Allein in Leningrad starben während der 900 Tage andauernden Blockade 1 Million Menschen. Die deutschen Faschisten wollten nicht nur die jüdische Bevölkerung in Europa, sondern auch die „jüdisch- bolschewistischen Untermenschen“ der Sowjetunion vernichten. Dass letzteres nicht gelang, ist auch dem oftmals heldenmütigen Widerstand der sowjetischen Roten Armee zu verdanken, die letztendlich einen hohen Blutzoll für die Befreiung Deutschlands vom Hitlerfaschismus bezahlt hat.
Ja, Befreiung, auch wenn dies damals und heute nicht von allen so gesehen wird.
Es waren nur wenige, die sich dem verbrecherischen Regime entgegengestellt und oftmals mit ihrem Leben dafür gezahlt haben. Vielleicht sollte in unseren Schulen nicht unbedingt die Stasizentrale in Hohenschönhausen Pflichtprogramm sein, sondern eher die Gedenkstätte Deutscher Widerstand und das Gefängnis und die Hinrichtungsstätte Plötzensee.
Krieg ist immer unmenschlich. Es gibt keinen humanen Grund, weshalb die einen Soldaten die anderen umbringen müssen. Und Krieg ist nicht „die bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“, wie Carl von Clausewitz postulierte. Er ist vor allem die Kapitulation der Diplomatie und des Miteinanders vor Gewalt, Macht- und Profitinteressen. Und Krieg entsteht nie aus dem Nichts, ganz zufällig. Jeder Krieg hat eine Vorgeschichte. Leider üben auch deutsche Soldaten heute im Osten wieder Krieg. Deshalb braucht es gerade jetzt im Angesicht dieser zunehmenden Kriegsbesoffenheit und in Erinnerung an das unsägliche Leid des letzten Weltkrieges den entschlossenen Widerstand ganz Vieler. Lassen wir uns nicht auf „Kriegstüchtigkeit“ trimmen, sondern streiten wir mit aller Kraft für „Friedenssüchtigkeit“."