Ansprache zur Kranzniederlegung am Gedenktag für der Opfer des Nationalsozialismus

Rede der Bürgermeisterin, Sabine Löser, anlässlich der Kranzniederlegeung zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar 2021:

"Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Gäste,

heute vor 76 Jahren wurde das Konzentrationslager Auschwitz durch die Rote Armee befreit. Auschwitz steht bis heute symbolhaft für den millionenfachen, industriellen Massenmord, die Abkehr von allen zivilisatorischen Errungenschaften, das Abhandensein jeglicher Menschlichkeit.  
Menschen wurde kategorisiert. Ganze Volksgruppen zu „Untermenschen“ erklärt, ihnen wurde das Recht am Leben abgesprochen und bis zu ihrem Tod wurden ihnen  unmenschliche Bedingungen aufgezwungen.
Man kann sie nachhören und nachlesen, die Berichte der Überlebenden der Konzentrationslager. Die Berichte der Soldaten, die in Tränen ausbrachen als die Lager befreiten und nur einen ungefähren Eindruck davon bekamen, was hier geschehen sein musste. Die Gerüche der Krematorien, die weit vor den Lagern in der Luft lagen, die Leichenberge.
Ich habe überlegt ob ich genau aus diesen Berichten der Zeitzeuginnen und –zeugen zitieren soll. Doch würde ich damit dem Schrecken gerecht werden? Steht es mir zu, anderer Menschen Worte in den Mund zu nehmen um ihr Leid mit ihren Worten zu beschreiben? Oder ist es nicht vielmehr unsere Aufgabe zuzuhören?
Wenn ich die Berichte höre und lese, bin ich zutiefst berührt, verstört und kann es bis heute nicht fassen.
Aber: „Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen: Darin liegt der Kern dessen, was wir zu sagen haben.“
Mit diesen Worten warnte der italienische Schriftsteller und Auschwitz-Überlebende Primo Levi 1986 davor, die Verbrechen des Holocausts in Vergessenheit geraten zu lassen.
Und genau deswegen ist es wichtig und richtig, dass wir immer und immer wieder – nicht nur am 27. Januar – daran erinnern, welche Folgen der Hass auf Jüdinnen und Juden, Menschen mit Behinderung, Homosexuelle, Andersdenkende, Sinti und Roma und Menschen, die vermeintlich anders sind als wir, haben kann. Am Anfang war das Wort, es folgte die Tat.
Es ist unsere Verantwortung zuzuhören, so lange wir es noch können, auch Fragen zu stellen und dann die Erinnerung und Mahnung weiter zu tragen. Und es ist unsere Verantwortung klare Kante zu zeigen, wenn wir Zeugen menschenverachtender Äußerungen und Taten werden.
Auf dass es nie wieder ein Auschwitz gebe."